In einer Medien-Welt, die zunehmend von Meinungen, Autokratismus und Hass getrieben wird, hat engagierter, unabhängiger, der Wahrheit verpflichteter Journalismus immer weniger entgegenzusetzen. Weil klassische Medien wie TV, Radio oder Zeitungen Reichweite und damit Relevanz und damit Refinanzierung verlieren. Community driven journalism, also auf Deutsch: Gemeinschaftsorientierter Journalismus kann da eine Lösung sein, die ich ausprobieren will.
Hier ist meine Konzeptidee:
Die 4 R – Reichweite, Relevanz, Refinanzierung und…
Also stellen wir den Niedergang des Journalismus doch einfach auf den Kopf. Ich suche nach Refinanzierung, mit der ich relevante Storys realisieren kann und damit eine Reichweite für die Themen aufbauen kann, die mir wichtig erscheinen.
Um diese Refinanzierung zu finden, braucht es nicht nur Chuzpe, Innovationsgeist und Ausdauer, sondern ein viertes R: Reputation. Nur wer schon bewiesen hat, dass er Journalismus lebt und abliefert, den schickt man auf die Reise und vertraut ihm, das Geld sinnvoll einzusetzen.
Reichweite, Relevanz, Refinanzierung, Reputation
Damit die Storys Relevanz haben, setze ich auf die Reputation der Vielen. Community driven journalism – Gemeinschaftsorientierter Journalismus wird durch die Einbindung von interessierten Gruppen erreicht.
Das können diejenigen sein, die ihr Geld investieren, es können auch andere sein, die ihr Vermögen in Form von Know-how oder Engagement einbringen. Sie bilden zusammen eine informelle Redaktion mit möglichst breit gestreuten Kompetenzen, die ich zu meinen Themenvorschlägen einlade. Sie haben entweder Kompetenzen im Journalismus, im Gemeinwohl oder zum jeweiligen Thema.
Sie beraten und begleiten mit Ideen, Ratschlägen oder kritischen Einwänden die Entstehung der Berichte, sind bei der Umsetzung dabei und geben Input während der Recherche oder prüfen kritisch die Berichterstattung oder wirken dabei mit. Der Aufwand wird überschaubar sein. Jeder investiert dabei so viel, wie es ihm/ihr wichtig ist.
3 Akteursgruppen
- Journalisten/innen, die ihre Story umsetzen
- wechselnde Akteure der Community, je nach Thema
- Finanziers, die Geld in die Hand nehmen und dafür einen ROI erwarten – ein bestimmtes Ergebnis
Der Deal läuft so:
ZU 1) die Journalisten erarbeiten relevante Themenvorschläge, präsentieren sie überzeugend, finden Unterstützer, erhalten den Zuschlag und legen los. Sie sind verantwortlich für Relevanz.
ZU 2) eine Community wird gebildet: persönlich vor Ort oder auch virtuell. Sie bilden durch ihre Treffen, Kommunikation eine virtuelle Redaktion. Und sie fungieren auch als vertrauenswürdige Treuhänder, die darüber wachen, dass das Geld auch wie besprochen in Journalismus sinnvoll investiert wird. Und sie sorgen für Reichweite.
ZU 3) Ohne Geld, kein Journalismus. Wir brauchen Finanziers. Das können Privatleute, Organisationen, Stiftungen oder Firmen sein. Ergänzt durch Förderprogramme. Und sie wollen eine Rendite aus ihrer Finanzierung haben: relevanten Journalismus. Und sie bekommen auch geldwertes zurück: sie haben einen Anspruch auf die Nutzungsrechte.
Gemeinschaftsorientierter Journalismus
Während der Recherche und Umsetzung berichte ich als von der Community beauftragter Journalist über die Fortschritte und erstelle verschiedene Medienformate. Ich halte Kontakt zur Redaktion und den Refinanziers und beantworte Fragen oder koppele meine Fragen mit ihnen zurück.
Wenn es gut läuft, wenn alle zufrieden sind, dann bekomme ich den nächsten Job. Das ist Antrieb für die Arbeit. Zusätzlich versuche ich natürlich, die Arbeit in vielfältiger Form auch weiter zu verwerten: zusätzliche Abnehmer aus den Medien zu finden.
Worum geht’s? Welche Themen?
Jedes Thema, das eine Community und damit eine Refinanzierung findet, kann die Lösung sein. Die Umsetzung innerhalb dieses Konzept richtet sich streng nach den Regeln der journalistischen Lehre. PR oder Werbung bleiben außen vor, auch wenn sich Interessengruppen oder Unternehmen mit einbringen. Dafür stehe ich mit meiner Reputation ein.
Wenn es gut läuft, können sich auch andere Kolleginnen und Kollegen als Berichterstatter beteiligen. Gemeinschaftlich oder gleichzeitig. Und natürlich kann jeder diese Idee übernehmen und selbst umsetzen. Vielfalt hilft, die Idee voranzubringen.
So sieht Klimawandel aus …
Das ist mein Thema für 2025: “So sieht Klimawandel aus”.
Was bedeutet es, wenn wir die 2° C aus dem Pariser Klimaabkommen reißen? Was bedeutet das vor Ort? Das ist vielen Menschen nicht klar. Andere machen sich darüber überhaupt keine Vorstellungen. Und ich will auch die Beispiele zeigen, von Menschen, die sich engagieren: Menschen mit positiven Visionen.
Ich will in erster Linie Video-Storys produzieren, die nah dran an den Menschen und den Folgen des Klimawandels sind.
Ich will Podcast machen, die zum Beispiel auch Teil des Produktionsprozesses sein können.
Ich will per Social Media und Newsletter nicht nur über den Fortschritt berichten, sondern damit auch neuen Input für die weitere Recherche generieren.
Und wie wird das umgesetzt?
Zunächst will ich die Idee streuen, diskutieren, schärfen und dann in einem Workshop Anfang 2025 in ein festes Rahmenwerk packen, dass jedem Beteiligten Antworten gibt und den Journalisten einen groben Handlungsleitfaden bietet.
Und danach, soll es mit einem Pilotprojekt losgehen – einen praktischen Use Case schaffen…
Mir stellen sich zwei Fragen. Die wichtigste: Wie kannst Du dafür sorgen, dass die Finanzierenden, die Interesse an bestimmten Themen haben, nicht auch Interesse an bestimmten Rechercheergebnissen haben? Bzw. dass sie da keinen Druck ausüben können?
Außerdem ist mir begrifflich nicht ganz klar, welche Rolle die Redaktion haben soll. Für mich bezeichnet “Redaktion” in erster Linie einen Zusammenschluss von Journalist*innen, die gemeinsam verschiedene Themen für ein journalistisches Endprodukt (Zeitung, Sendung, Portal…) recherchieren und umsetzen. Du meinst “Redaktion” aber glaube ich eher im Sinn von Deiner “Überwachungsinstanz” – als Freier ist eine Redaktion normalerweise Deine Auftraggeber*in der Themen, auch Deine Abnehmer*in. In dem Fall wäre sie aber weder noch oder beides nur teilweise – soll Dich aber trotzdem irgendwie lenken – das leuchtet mir noch nicht ganz ein.
Grundsätzlich: Tolles Projekt! Wir brauchen so viel unabhängigen Journalismus wie nur geht! 🍀
Vielen Dank für die im besten Sinne konstruktive Kritik. So stelle ich mir einen iterativen Ansatz für den gemeinorientierten Journalismus vor: Der Journalist kommuniziert oder veröffentlicht und die Community gibt Reaktionen oder Input. Darauf kann direkt reagiert werden: der Journalist überdenkt sein Handeln, reagiert und ändert seine Vorgehensweise oder macht einen ergänzenden Bericht.
Wikipedia zu Redaktion: (lateinisch redigere „zurückbringen/-treiben, in einen Zustand bringen“) bezeichnet die Gesamtheit der Redakteure eines Medienbetriebs…
Meine Idee: Ich spreche beim gemeinorientierten Journalismus von einem virtuellen und volatilen Medienbetrieb. Er wird initiiert durch den Journalisten und sein Thema. Diese “Redaktion2 trifft sich bei größeren Projekten auch in Person zu Beginn und wird ergänzt während der Entstehungszeit der journalistischen Recherche/Berichte durch weitere Interessierte, die sich informell dazu gesellen.
Wenn ich ein Projekt zum Klimawandel starte, würde ich persönlich, per Mailing oder Social Media potenzielle Teilnehmer ansprechen. Die können auch gleichzeitig Geldgeber sein, müssen aber nicht. Sie vereint, dass sie ein gemeinsames Interesse an der Debatte und möglichst optimalen Medienprodukten haben.
Wie wird redaktioneller Einfluss von größeren Geldgeber vermieden?
Der Journalist sucht sich anfangs die größeren Finanziers durch einen Pitch. Die finanzielle Beteiligung ist danach nicht rückholbar (außer ggfs bei Betrug oder Leistungsverweigerung). Dadurch wird ein Hebel für Einfluss genommen. Natürlich sind verschiedene Formen des Einflusses denkbar, wie in Aussicht stehende Anschlussaufträge. Aber der Journalist wird sich das nicht leicht machen: einerseits hat er seine Reputation zu verlieren (damit auch andere Finanziers) und andererseits hat er ja ein Eigeninteresse, sein Projekt unbeeinflusst zu realisieren.
Kurzgesagt: Um solche Fragen für einen Pilotversuch zu klären, plane ich eine Auftaktkonferenz mit möglichen Finanziers, Medienfachleuten, Wissenschaft, NGOs.
Community-Driven-Journalism ist ein interessantes Konzept! Aber wenn ich das richtig verstehe, dann geht es vom Journalisten aus:
– Du schreibst in Deiner Mail “dazu bringen will, die von mir vorgeschlagenen Themen zu finanzieren.”
– Und in dem Blog schreibst Du als 1. “die Journalisten erarbeiten relevante Themenvorschläge, präsentieren sie überzeugend, finden Unterstützer, erhalten den Zuschlag und legen los.”
Es ist also m.E. eher ein Journalist-Driven-Journalism… 😉 a la “ich als Journalist suche mir meine Themen aus, finde eine Community und Financiers und berichte dann”
Das finde ich sehr interessant, weil es dazu führt, dass Journalisten über das berichten, das ihnen selbst sehr am Herzen liegt (und dabei aufpassen müssen, dass sie wirklich journalistisch arbeiten und nicht nur das berichten, was ihnen wichtig ist).
In einem “guten” Pressebetrieb sollte das aber doch ohnehin der Fall sein, dass diejenigen Kolleg:innen berichten, die Interesse an einem Thema haben, oder? Ich unterstütze ja aktuell das https://goodnews-magazin.de und glaube, dass das dort so ist.