Solarauto der HS Bochum

Wenn das Elektroauto mit der Krankenkasse kollidiert

Journalisten sollten ein Elektroauto fahren – aber bitte nur mit Ökostrom betanken. Sie könnten sich auch eine Solar-PV-Anlage auf’s Haus setzen. Das wäre jeweils ein wertvoller Beitrag für die Zukunft – und gegen die Klimaerwärmung.
Aber machen Sie bloß nicht beides und laden das E-Auto mit ihrem eigenem Strom. Das wäre zwar ökologisch das Non-Plus-Ultra – aber für Sie ein finanzielles Desaster. Sie könnten umgehend aus der Künstlersozialversicherung geworfen werden. Das kostet Sie dann Tausende von Euro.
Wenn Sie jetzt meinen, ich sei wirr im Kopf, lesen Sie die neuesten Steuerratgeber. Wenn sie meinen, die Steuerratgeber seien wirr: lesen Sie hier weiter.

Die Lösung dieser nicht nur scheinbar aberwitzigen Zusammenhänge liegt in einer Vorschrift der Künstlersozialkasse (KSK). Freiberufliche Journalisten und sonstige Betreiber brotloser Künste dürfen neben ihren Honoraren nur geringfügige gewerbliche Einnahmen erzielen. Denn die KSK ist für freiberufliche Journalisten (Freie) der Arbeitgeberersatz. Sie zahlt die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung (z.B. Krankenkasse) und versucht sich die Ausgaben von Verlagen, Sendern und anderen Veröffentlichungsplattformen zurück zu holen. Dies soll Künstler vor der Sozialversicherungs-Armut bewahren.

Freiberuflich wird groß geschrieben

Die meisten Journalisten würden nun sagen, ich betreibe ja gar kein Gewerbe! Ich bin doch Freiberuflich – das ist eine deutsche Institution und bedeutet: Freiheit von der Gewerbeordnung. Ein Privileg das in Deutschland groß geschrieben wird, mit großen A: reiche Ärzte, Anwälte, Architekten und Arme Journalisten.

Als Freiberufler ungewollt Gewerbeeinnahmen zu erzielen, mag für Journalisten ähnlich schwer verständlich sein, wie:

  • dass man zwar andauernd, aber unstetig und unständig beschäftigt ist,
  • dass für Rundfunk-Journalisten der Kündigungsschutz bei Kettenverträgen nichts wert ist oder
  • dass die ÖR Rundfunkanstalten vom Honorar Mehrwertsteuern abziehen, die sie gar nicht auszahlen.

Tatsache ist aber: Ihr Elektroauto könnte Sie ihre Krankenversicherung kosten. Und das geht so:

So nimmt der Wahnsinn seinen Lauf

Eine Solar-PV Anlage auf dem Dach ist eine saubere Sache. Wenn die Sonne scheint, wird Strom erzeugt. Da es kaum noch eine nennenswerte Vergütung für den ins Netz eingespeisten Strom gibt, raten Experten, den Strom möglichst selbst zu verbrauchen und sich so die Stromkosten aus dem Netz zu sparen. Dadurch kann sich langfristig eine Anlage rentieren. Doch, der Staat möchte nun daran mitverdienen, gehen ihm ja jetzt die Steuern und auch die EEG Abgabe durch die Lappen. Also müssen die privaten Mikro-PV-Investoren sich den eigenen Strom selbst abkaufen und verdienen dann daran quasi fiktives Geld – für die Steuer ist dieser Aberwitz eine gewerbliche Betätigung.

Was für Otto-Normalstromverbraucher nur Gaga ist, hat für Journalisten und Künstler Folgen: negative. Und jetzt wird es noch absurder: Je mehr Strom er umweltschonend von der eigenen Solarzelle nutzt, um so höher sind seine fiktiven Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Faktisch erhält er keinen Cent, sondern muss darauf sogar Steuern und EEG-Abgabe bezahlen. Er hat also weniger Geld als vorher – weniger als wenn er einfach den Stecker aus seiner Solar-Anlage ziehen würde.

Der Solaranlage den Stecker ziehen?

Wenn er also diesen sauberen, aber nachträglich teuer erkauften Strom in möglichst großen Mengen – zum Beispiel in sein Elektroauto – speichert, ist das der Traum jedes Energiefachmanns und Umweltaktivisten. Er kommt damit dem Perpetuum-Mobile oder der Null-Emmissions-Mobilität nahe. Er spart damit Tonnenweise das Klimakillergas CO2, gefährliche Stickoxide und Feinstaubpartikel ein. Erst recht, wenn er auch noch seinen Nachbarn kostenlos sein E-Auto laden lässt. Er häuft aber auch beträchtliche gewerbliche (wenn auch nur fiktive) Einnahmen an.

Sollte er sein erspartes Geld auch noch in einen Windpark investiert haben oder über seine Vision des Klima-neutralen Lebensstils im Eigenverlag ein Buch herausbringen – sollte es so erfolgreich werden, das er gleich noch von ein oder zwei Kollegen deren Erstlingswerke mitverlegt und dies mit ein wenig Werbeeinnamen auf dem Verlagsblog finanziert, dann ist er ein echter Klimaschützer und ein guter Mensch. Aber ein Idiot.

Ein Idiot, wer zu viel verdient

Denn unweigerlich wird er weitere Euro verdienen. Nur ein paar Kröten – versteht sich – von denen er kaum überleben kann. Aber all das sind weitere gewerbliche Einnahmen und die KSK-Grenze für Einnahmen aus Gewerbe ist schnell überschritten. Sie liegt bei 450 € pro Monat.  Und dann fliegt er schneller aus der KSK heraus, als  das E-Auto voll geladen ist. Meldet er seine fiktiven Einnahmen nicht rechtzeitig an, riskiert er sogar eine Strafzahlung (ganz reales Geld).

In der Folge muss er seine Sozialversicherungsabgaben größtenteils selbst bezahlen: den Arbeitgeberanteil und den Arbeitnehmeranteil. Das macht für die Pflege- und Krankenkasse mehr als ein Drittel seines Einkommens aus (zzgl. Steuern und Rentenabgabe). Und jetzt – völlig Gaga: er zahlt damit diesen Sozialversicherungsanteil auch noch auf die fiktiven Einnahmen seiner Solar-Anlage.

Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie in den nächsten Tagen Journalisten auf ihre Dächer steigen sehen, die die schwarzen Solarpanele abreißen und auf ihre E-Autos herunter werfen. Und wenn dabei einige vom Dach fallen, steigt auch bei Ihrer Krankenkasse im kommenden Jahr der Versicherungssatz – für alle Versicherten.

 

Ergänzung:

Ich hatte das Bundesministerium der Finanzen gefragt: “Werden Eigenverbräuche aus dem Betrieb einer eigenen oder gemeinschaftlich betriebenen Solar-PV-Anlage als gewerbliche Einnahmen in der Steuer angesehen?” Antwort:

Grundsätzlich entsteht mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage ein Gewerbebetrieb. Durch den Betrieb der Photovoltaikanlage erzielt der Gewerbetreibende Betriebseinnahmen durch die vom Netzbetreiber gewährte Vergütung. Soweit der erzeugte Strom nicht in das Netz eingespeist wird, sondern für private Zwecke genutzt wird (Eigenverbrauch), führt dies zu einer Privatentnahme. Dieser Direktverbrauch bei dem Gewerbetreibenden führt zu einer fiktiven Einnahme. Dies ist notwendig, da bei einer gedachten Veräußerung der Gewerbetreibende eine Einnahme erzielt hätte.

2 Gedanken zu „Wenn das Elektroauto mit der Krankenkasse kollidiert“

  1. Hallo Herr Rüsberg,

    ein herrlicher Artikel über die Abstrusitäten der (deutschen) Bürokratie!

    Da bin ich doch direkt froh, dass die Beschattung durch einen wunderschönen, großen, alten Baum bisher erfolgreich die Installation einer Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach verhindert hat. 🙂

    Gruß aus Mainz
    Alexander Theis

    1. Hallo Herr Theis,

      ” Bürokratie ” ist eine harmlose Beschreibung für für eine erneute kreative Form von ” Energieoligarchen- Hilfe ” .
      Wird denen nicht mehr lange helfen. Der leider zu früh verstorbene Ideenvater des Energieeinspeisegesetzes ,
      Hermann Scheer, hat jene zurecht als .” überkommene ” bezeichnet ?

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