Christine hält gerne im Foto für die Ewigkeit fest, was sie kurz drauf verspeist. Üppig gefüllte Taco-Shells, Waffeln mit Salat (!) oder Kaffeespezialitäten. Auch Kuschelbilder mit ihrem zwei Köpfe größeren Freund veröffentlicht sie regelmäßig auf Instagram (offensichtlich ohne ihn anschließend zu verspeisen). Und selbst den Tatort, wo sie etwas verspeisen will, hält die 21-jährige zuvor per Foto fest. So auch ein Restaurant in Vernon Hills, nahe Chicago, vor dem sie ein Selfiefoto gemacht hat.
So steht es in einer Klage, die sie Anfang Februar 2016 bei Gericht im Cook County (USA) eingereicht hat. Sie klagt wegen dieses Fotos, welches eine bekannte, weltweit aktive Rabatt-Agentur unrechtmäßig verwendet haben soll – für eine Werbung zu Gutscheinen für dieses Restaurant. Und – an dieser Stelle wird es auch für Fotografen, Journalisten und andere Publizisten interessant, die z.B. Videos gedankenlos mit “Quelle YouTube” insertieren…
Christine klagt nicht wegen einer Urheberrechtsverletzung (also die unrechtmäßige Verwendung eines ihrer Werke), sondern einer Persönlichkeitsverletzung. Sie ist nicht einverstanden damit, wie ein Foto mit ihr als Motiv im Zusammenhang mit einer werblichen Aussage für das Restaurant verwendet wird.
Persönlichkeitsrechte 1000x verletzt?
Gleich 1.000 weitere Kläger sollen sich um sie gesammelt haben, die ein ähnliches Problem mit der ungefragten Verwendung ihrer Foodporn- oder sonstigen Fotos auf der Dealsplattform haben. So schildern es verschiedene Medien. Die Klage spreche davon, dass diese offensichtlich ungefragte Verwendung fremder Fotos ein zentrale Werbe-Strategie der Preisdumping-Site sei.
Für mich ist interessant, dass der Diebstahl der Fotos (also Missbrauch der Urheberrechte) offenbar gar keine Rolle spielt. Schließlich gehört zumindest Christine zu denen, die gar kein Problem damit haben, auch Details ihrer intimen Beziehung oder Orte an denen sie sich aufhält oder ihre Vorlieben und Gefühle mit aller Welt im Internet zu teilen. Aber sie und die Generation Selfie will die Herrschaft über diese Veröffentlichung und die Deutung davon behalten.
Urheberrecht uninteressant?
Sie fühlt sich ausgenutzt von einem Schnäppchen-Konzern und der ungefragten Verknüpfung ihres Sefiefotos mit einer Werbeaussage. Die Verwendung des Fotos erzeuge den falschen Anschein, dass sie das beworbene Angebot unterstütze, heißt es in der Klageschrift (laut Chicago Sun Times am 5.2.). Ebenso erging es wohl den anderen 1.000 Menschen, die sich der Klage angeschlossen haben.
Könnte dies auch hier in Deutschland passieren, dass Fotografen, Autoren oder TV-Sender eine Klage wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten von Abgebildeten riskieren? Das Foto war in diesen Fällen ja bereits veröffentlicht – zumeist wohl von einem der Abgebildeten selbst. Persönlichkeitschutz genießt man in Deutschland, “wenn das verwendete Bild einen „anrüchigen“ Charakter aufweist oder mit der Art seiner Verwendung nachteilige Folgen für den Abgebildeten verbunden sind“. (*1)
Persönlichkeitsrecht in Deutschland
In den USA gibt es für diesen Fall aber offensichtlich einen besonderen Schutz von Konsumenten: für ihr Recht am eigenen Bild und ihren Persönlichkeitssschutz. Die Klage wurde nach dem Right of Publicity Act von 1999 eingereicht, welches Verbraucher vor unerlaubter Verwendung ihres Namens, Bildes oder Vorlieben schützt. Ähnliche Einschränkungen in Deutschland ergeben sich nach §22 KUG. Dort wird bei Verstoß eine Schadensersatzpflicht und sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr angedroht. Auch wenn das ungewöhnlich klingt und weithin unbekannt ist: Entsprechende Strafen werden von deutschen Gerichten auch tatsächlich verhängt. Strafverfolgung gibt es aber nur nach Antrag eines Betroffenen.
Für mich ergibt sich aus der Massenklage in den USA eine wesentliche Frage für in Deutschland Publizierende. Könnte auch die Praxis von Journalisten davon betroffen sein, sich an Bildern aus dem Internet zu bedienen, die in ganz anderen Sinnzusammenhängen erstellt und erst-publiziert wurden? Beispielsweise YouTube Videos von Menschen in bspw. privatem Zusammenhang. Bislang wird damit in der Praxis bei TV-Sendern oft sehr lax umgegangen und das Thema als rein urheberrechtliches Problem angesehen. Meist wird bei ungeklärtem Namen des Urhebers (Kameramann oder Fotograf) nur “Quelle YouTube” eingeblendet.
Quelle YouTube – gefährliche Praxis?
Dies könnte für die verantwortlichen Autoren und Senderedakteure aber eine gefährliche Praxis sein, sollten die Abgebildeten analog der Klage in Chicago auf die Idee kommen, auf die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte zu klagen. So etwas machen bislang meist nur Prominente. Da es sich zumeist um eine unliebsame Berichterstattung handelt, könnte dieses Szenario durchaus Relevanz bekommen, insbesondere durch nur mittelbar Beteiligte, die auf den Bildern abgebildet sind. Dann drohen vielleicht auch Journalisten Schadensersatz- und sogar Strafprozesse?
Kennen Sie ähnliche Fälle?
Sehe ich das Problem übertrieben?
Auf Presseberichterstattung nicht anwendbar?
Gibt es andere Fehler in meinen Überlegungen?
– dann freue ich mich über Ihren Kommentar.
Hinweis: Ich mache mir die Rechtsauffassung der Kläger nicht zu eigen und bezwecke auch keine Vorverurteilung des Unternehmens. Deswegen erwähne ich die beklagte Onlineplattform nicht mit Namen und setze auch keine Links, da der Name für die Rechtsfrage selbst auch keine Bedeutung hat.
*1= lt. rechtambild.de: Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, Rn. 374