Afrika ist ein Kontinent der Krisen und Kriege. Millionen Menschen sind dort auf der Flucht – seit Jahrzehnten. In Afrika gibt es die größten Flüchtlingslager der Welt. Mehr als 500.000 Menschen leben in Dadaab. 200.000 leben in Kukuma. Beide Mega-Camps sind in Kenia.
Mal Sie direkt gefragt: Was wissen Sie über diese Camps und warum diese Menschen dort leben?
OK! Es ist weit weg und unsere Grenzen sind nicht bedroht. Das ist anders an den Nord-Afrikanischen Küsten, von denen aus jährlich zehntausende Afrikaner versuchen Europa zu erreichen. Und tausende sterben.
Aber warum kommen sie? Kann Europa die Ursachen bekämpfen? Warum versagt die Politik? Das wären die Fragen, die die Medien stellen müssten. Bei uns in den Zielländern und in den Herkunftsländern. Doch hier versagen auch die Medien in ihrer Krise. Sie kommen immer weniger ihrer Pflicht zur Kontrolle der Macht nach. Am Beispiel der Ursachen von Flucht aus Afrika fällt mir auf:
Flüchtlinge, sind die Medien selbst
Und es gibt keine Hoffnung, dass die Medienbranche künftig bessere Basisrecherche leisten wird. Trotz aller Rechercheverbünde und investigativ-Initiativen. Denn diese sind nur dafür gestrickt, skandalisierbare Ergebnisse zu liefern. Im Gegenteil: der Abbau in der Branche kennt aktuell kaum noch Tabus:
Es gibt Regionalzeitungen, die mit einem Stamm von 17 Redakteuren gefüllt werden sollen, eine Hauptstadtzeitung, die monatelang komplett auf Zulieferungen von freien Autoren verzichten will und in der Rundfunksender die Sendeschemen umsortiert, aus dem einzigen Grund: um ein paar Euro zu sparen.
bitte keine komplizierte Recherche
Bei meinen Recherchen in Tansania im Juli habe ich es hautnah mitbekommen, wie schwierig es ist, im aktuellen Berichtsturnus der öffentlich rechtlichen Anstalten über die Ursachen und Hintergründe von Flucht einen Bericht zu platzieren. Meine Hypothese war: die neue Entwicklungshilfepolitik der neuen Allianz der G7-Länder (USA, Deutschland…) soll mit marktwirtschaftlichen Ansätzen den Hunger bekämpfen, verursacht aber vor Ort selbst Nahrungsmittelknappheit bei den Selbstversorgern und ist somit in Wahrheit eine der Ursachen von Hunger. In einem nächsten Hypotheseschritt steckt dahinter: Wir, Deutschland, sind selbst ein Verursacher von Flucht.
Meine Hypothese hat sich bei der Recherche in den landwirtschaftlichen Anbaugebieten im Osten Tansanias bestätigt. Ich habe eine Familie besucht, die durch die Globalisierung des Anbaus auseinandergerissen ist. Zwei minderjährige Söhne sind vor drohender Armut in die Hauptstadt und in eine ungewisse Zukunft geflohen. Nachzulesen in meinem Blogbeitrag “Muwimbi will nicht sterben” und in Kürze in ausführlicher Form im Magazin “Mut zu Taten”, das in den kommenden Tagen bei Misereor erscheint (gedruckt, hier hoffentlich bald zu bestellen).
Recherche geht nur vor Ort
Für solche Recherchen muss man vor Ort sein und sich mit den Details auseinander setzen. Das ist zäh und langwierig. Das lässt sich nicht vom Korrespondenten im tausende Kilometer entfernten Büro erledigen. Und es reicht auch nicht, die örtlichen Medien anzuzapfen, weil sie in vielen Fällen selbst nicht recherchieren. Das belegt eine Aussage des Dortmunder ‘Erich Brost Instituts’ für internationalen Journalismus. Institutsleiterin Susanne Fengler will sich von der wissenschaftlichen Seite diesem Versagen nähern.
Wir konzentrieren und auf die Afrikanischen Medien und wollen gucken, welche Rolle sie in der Flüchtlingskrise spielen. Wie sie mit dem Thema Migration umgehen. Und welche Probleme aus einer qualitativ schlechten Berichterstattung resultieren.
Sie hatte zunächst im Oktober (mein Bericht im DLF, gekürzt als mp3) Journalismus-Lehrstühle aus ost- und west-afrikanischen Ländern zum Netzwerken eingeladen, im Dezember soll es ein zweites Treffen in Äthiopien geben. Doch allein vom Netzwerken wird sich auch in den Herkunftsländern in Afrika nichts ändern, meint Fengler:
Diese Aufmerksamkeit die deutsche Außenpolitik in Syrien findet, die finden wir in Afrika nicht, wo man diese Flüchtlingsthematik kaum zur Kenntnis nimmt. Da gibt es auch kaum systematische Strukturen in den Redaktionen.
Keine systematischen Strukturen für Recherche. Dies entspricht auch meiner Erfahrung in einzelnen Ländern Afrikas*. Die Berichterstattung in den nationalen Medien ist zumeist sehr auf das eigene Land und auf Innenpolitik und lokale Wirtschaft konzentriert. Außenpolitik spielt nur eine untergeordnete Rolle und viele Medienhäuser sind zudem nicht frei von politischer Beeinflussung oder unter wirtschaftlichem Druck.
Strukturen für Recherche?
Aber ist das in Deutschland wirklich ganz anders? Politisch sind die Medien für die ich arbeite weitgehend unbeeinflusst. Trotz der maßlosen Vorwürfe von Pegida und der engagierten Leserbriefschreiber. Wirtschaftlichen Druck gibt es bei uns zunehmend. Und der wirkt sich massiv und konkret auf die Arbeit der Redaktionen aus. Aufwändige Recherchen werden nur in wenigen Redaktionen noch von angestellten Redakteuren gemacht oder gegen faires Honorar und Aufwandsentschädigung bei freien Autoren beauftragt.
Aber mal Hand auf’s Herz: Gibt es bei uns denn noch ausreichend “systematische Strukturen” um hintergründig komplexe Themen zu recherchieren? Oder wird nicht eine aufwändige Recherche nur noch nach dem Nutzwert oder vermuteten Sexappeal auf das Publikum bemessen. Ich fürchte, der Journalismus gehört selbst zu den Flüchtenden. Es ist offen, ob es für ihn Asyl gibt. Ob er eines Tages besser geschult aus der Diaspora zurück kehrt. Und ob es dann noch Leser, Zuschauer und Hörer geben wird, die ihn wieder zurück nehmen wollen.
*man kann sicher nicht von einer afrikanischen Medienszene sprechen. Medienhäuser sind fragmentiert. Es gibt nicht die Stimme Afrikas. Meine Erfahrungen sind vor allem aus Tansania, Namibia, Ghana, Seychellen.