Zwei Wochen durfte ich Redakteure (und natürlich -innen) der Ruhr Nachrichten, der Halterner, Dorstener und Münsterland Zeitung auf dem Weg begleiten, künftig Videos zu produzieren. Unter den mehr als 30 Journalisten waren Mitglieder der Chefredaktion, Lokalchefs sowie andere Redakteure. Diese werden intern als Transformatoren bezeichnet – sie sollen das Medienhaus Lensing auf den Weg in eine multimediale Zukunft begleiten sollen: Medien-Transformation oder englisch Media-Transition.
Der Verlag hatte sich für die von mir entwickelte #Oneshot Produktionsmethode entschieden (s.u.), die alle Teilnehmer jeweils in nur 2 Tagen in einem Intensivseminar erlernt haben. Oneshot Reportagen werden in einem Take gedreht und entstehen in nur ca. 15 Minuten Produktionszeit. Hier ein Beispiel einer Geschichte (über die Neueinkleidung bei der Polizei NRW) die unmittelbar nach dem Seminar entstanden ist. Es gibt eine klassische Online-/Blattgeschichte und zusätzlich ist weiter unten auf der Seite ein Video eingebunden.
Ich veröffentliche hier exklusiv eine Beitragsanalyse aus professioneller Sicht, wie ich sie für eine Supervision oder ein Online-Learning Modul anfertigen würde oder sie in ähnlicher Form im Seminar mündlich formuliere. Das entspricht meinem Lehrkonzept von “learning on the job”.
Oneshot-Video: Im Polizeibekleidungscenter Lünen
Beitrag von Peter Fiedler, Ruhr Nachrichten, 25.10.2017
Gesamteindruck:
Eine überaus gelungene Reportage in Oneshot-Technik. Thema ist die Einkleidung von Polizisten am Rande eines offiziellen Pressetermins. Es werden gleich zwei Interviewpartner eingebaut, die funktional passend befragt werden. Zudem enthält der Beitrag einen “reportagigen” Einstieg mit einer hinreichenden Übersicht über den Handlungsort und einen erzählerischen Ausstieg.
Der Beitrag ist insgesamt informativ, logisch und erzählerisch aufgebaut, hat überraschende Momente, wie die Vielzahl der Ausrüstungsgegenstände im Einkaufswagen. Weiterhin bietet er einen Blick hinter die Kulissen, die ein Foto oder begleitender Text nicht so einfach liefern kann. Er ist ein außergewöhnlich gutes Beispiel für eine deutliche Erweiterung der journalistischen Darstellungsmöglichkeit durch den Einsatz von Videoreportagen im Lokalen. Dies, trotz knappem Zeitbudget für die Redaktionsarbeit. So geht Medien-Transition.
Oneshot sorgt für Authentizität
Die extrem schnelle Produktionsmethode “Oneshot” gibt dem Stück eine Authentizität, die mit einem anderen Format (gebauter Beitrag, BmE) nicht unmittelbar zu erzielen gewesen wäre. Der Mut zu komplizierten Laufwegen wird durch interessante Darstellungen belohnt. Der Autor beherrscht die komplexe Berichtstechnik insgesamt gut (in einigen Momenten geradezu virtuos). Er zeigt kurze Unsicherheitsmomente, die aber die Authentizität stützen. Er liefert eine gelungene, kurzweilige und durchweg journalistisch motivierte Video-Reportage ab.
Technische Umsetzung:
Ton und Bildqualität sind durchweg gut. Die Sprachverständlichkeit ist gut. Es wurde mit vorhandenem Licht gearbeitet. Die Beleuchtung ist in allen Szenen ausreichend. Die Kamerastabilität ist gut.
Gestaltung der Szenen:
Die verwendeten Einstellungsgrößen sind durchweg sachgerecht geplant und in der Ausführung gelungen. Das Framing und die Blickorientierung sind überwiegend passend gewählt. Durch die Vielzahl der Einstellungsgrößen und Blickwinkel wird der klassische Schnitt einzelner Szenen überflüssig gemacht. Dadurch wird das Reportageformat betont.
Ein zusätzlicher Überblick über die Vielfalt der Ausrüstungsgegenstände oder eine ausführliche Ganzkörperdarstellung (mit angezogener Uniform) hätten den Beitrag noch weiter aufgewertet.
Szenenkritik:
Einstieg (0:00)
Bildebene: Der Gang mit der Kamera ist stabil. Als Erweiterung dieser Gestaltungsidee wäre es möglicherweise interessant gewesen, in die Kartons hinein zu gucken und dann in den langen Gang zu blicken oder umgekehrt.
Textebene: “Ein Blick hinter die Kulissen…” funktioniert gut. Alternativ hätte man so anfangen können: “Scheinbar endlose Regale im XY Depot. Hier lagern..”, um dann im Vorbeilaufen den Fokus der Kamera in die Kartons zu richten – und vielleicht auch einen vorbereiteten (ausgepackten) Artikel in die Kamera zu halten.
Alternative Idee für den Einstieg: Langsames hochfahren von den Schuhen bis zum Gesicht der Protagonistin und dabei die Ausrüstungsgegenstände erläutern, nahtlos ins Interview.
Vorstellung Interviewpartner (0:13)
Bildebene: Mein Vorschlag wäre hier, die wartenden Interviewpartner rechts oder links zu postieren, damit die Kamera nicht so lange auf sie zuhält. Stattdessen hätten an dieser Stelle vielleicht zwei in neuer Ausrüstung bekleidete Kollegen stehen können. Danach wäre die Kamera dann zu der Interviewgrup-pe seitlich abgeschwenkt.
Einkaufswagen (0:42)
Bildebene: (Vorschlag) Vorab die Verpackungen entfernen und durchaus den Interviewpartner auffordern, Teile davon vorzuzeigen/ alternativ selbst mit der Hand etwas anheben und ein paar Teile vorstellen/kommentieren.
Textebene: “Da war auch Überraschendes dabei…” Hiervon hätte ich gerne mehr gesehen.
Hinweis zu Bauchbinden:
(Es handelt sich hier nur um vorläufige Grafiken) Die Funktionsbezeichnungen sind für eine optimale Lesbarkeit beide etwas lang. Bei Wortzusammensetzungen: Entweder entgegen der orthografisch richtigen Schreibweise einen Bindestrich einfügen oder “Bekleidungscenter Polizei”.
Bildgestaltung O-Töne
Der Bildausschnitt der O-Töne ist durchweg gut. Man hätte sich zwei unterschiedliche Hintergrundaktivitäten wünschen können. Bei dem zweiten O-Tongeber wäre es vielleicht möglich gewesen, während des Interviews mit der Kamera rechts oder links so weit zu wandern, dass es einen veränderten Hintergrund mit zusätzlicher Bildinformation ergeben hätte.
Blickrichtung ist teils nicht optimal, führt aus dem Bild heraus.
Schlussszene
Bildebene: Die Schlussszene ist insgesamt gut gelungen. Eine alternative Bildidee ist, mit der Kamera von vorne in den Korb (vorher Verpackung entfernen) und in Richtung Protagonistin zu schauen/aus dem Bild gehen lassen.
Textebene: Die Frage drängt sich auf, wo die umfangreiche Ausrüstung (beim Abtransport) verstaut werden soll.
Media-Transition
Der Beitrag ist, insbesondere als Erstlingswerk in Oneshot-Technik nach nur 2-tägiger Schulung, eine außergewöhnliche und sehr anerkennenswerte Leistung. Er demonstriert in besonderer Weise das Potential von begleitenden Video-Berichten für die im Lokalen traditionell in erster Linie textlich-orientierte Berichterstattung (Media-Transition).
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Medienhauses Lensing, Dortmund, Chefredaktion vom 26.10.2017.
Alle Fotos aus dem Video, Autor: Peter Fiedler.
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Weiterer Hintergrund zu Oneshot-Video Reportagen (englisch):
https://ruhrnalist.de/2015/12/04/webvideo-oneshot-for-the-whole-picture/
Ein Gedanke zu „Kommentiertes Beispiel eines Oneshot Videos für die Lokalzeitung“